Satire, Alltägliches und andere Absurditäten

 

Der Freund im Regal

Was soll das? Haben die Verlage denn immer noch nicht kapiert, dass Männer den größeren Bedarf an Literatur zum Thema Kochen und Backen haben? Frauenzeitschriften die diese Themen  behandeln gibt es massenhaft. Dabei haben Frauen das weit weniger nötig. Die tauschen sich aus, erzählen sich detailliert von ihren neuesten Koch- und Backkreationen. Sie geben sich Tipps, wie der Kuchen nicht in sich zusammenfällt und wie man während des Teigrührens mit dem Pinsel zwischen den Lippen die Fußnägel lackieren kann. Oder wie selbst ein Stück Rindfleisch aus dem Sonderangebot nach trickreicher Zubereitung nicht Bissen für Bissen einhundertzwanzig Mal gekaut werden muss.

            Männer müssen sich selbst beweisen. Einen anderen Mann zu fragen kommt überhaupt nicht in Frage. Ausschließlich eine schriftliche Anleitung oder Kochshow ist für uns eine akzeptable Möglichkeit, uns Koch- und Backwissen anzueignen. Also Verlage: Bringt zu eurer Freundin endlich den Freund in die Regale. Gebt uns Hefte mit Rezepten nur mit Abbildungen von zubereiteten Speisen und mit Bildern von kochenden und backenden Männern. Wir wollen bei der Lektüre von Gourmetrezepten – die wir uns, multitaskingfähig wie wir sind, während des Kochens und Backens zu Gemüte führen – nicht ständig durch Hochglanzfotos von freundlich grinsenden, hübsch gestylten Vorzeigehausfrauen abgelenkt werden. Wir wollen auch nicht die neuesten betörenden Frauenparfums zwischen den Seiten riechen. Schon gar nicht wollen wir durch gewagte Dessous, drapiert auf makellose blutjunge Frauenkörper, verwirrt werden. Dann denken wir anstatt an Gaumenfreuden an ganz andere Freuden und versalzen den Auflauf. Also Verlage bringt Hefte raus, die Männer brauchen und kaufen, mit Titeln wie „von 0 auf 180°C im ersten Gang“ oder „BackBild: die neuesten Kuchenmodelle“ oder „Heiße Öfen in Aktion“. Macht Kochen und Backen zum Männerthema. Sorgt dafür, dass es uns nicht peinlicher ist, Vanilleschoten und Backpulver auf das Kassenband zu legen, als dort eine Packung Kondome zu präsentieren. Helft uns, Verwürztes, Eingekochtes, Angebranntes zu vermeiden. Gebt uns die Möglichkeit, dass wir über die Fünfzig-Prozent-Grenze kommen, soll heißen, dass wir mehr als die Hälfte unserer selbst zubereiteten Speisen ohne Würgen und strengen Gesichtsausdruck verzehren können. Befreit uns aus der Abhängigkeit vom Pizzaservice und von den Dönerläden um die Ecke. Obgleich es schön ist, nach dem neunten gekauften Döner nicht mehr nur als Effendi sondern gleich als Bruder begrüßt zu werden. Doch mit oder ohne Scharf wollen wir in Zukunft selbst kreiren. nicht von der neuen Verwandtschaft machen lassen. Zeigt uns, wie man Gewürze dosiert, damit wir uns mit Scharf nicht den Mund verbrennen. Zeigt uns, wie man Vitamine ohne Vitamintabletten aufnehmen kann. Gebt uns eine Anleitung, wie man ein vollwertiges Essen ohne Fleisch zubereitet, wenn es so etwas gibt. Zeigt uns die Speisen, mit denen wir bei Frauen punkten können, denn es gibt nicht mehr viele Bereiche, in denen das möglich ist – abgesehen von dicken Konten, aber wer hat die schon. Wir wollen durch Kochen wieder unsere Ernährerrolle sichern. Denn die ist die einzige Rolle, in der wir ganz und gar aufgehen – seit Anbeginn der Zeit.

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Schlagzeilen
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